SCHULE UND CORONA: MAL INS UNREINE GEDACHT



Die Corona-Pandemie hat unseren Schulalltag schlagartig und grundlegend verändert. Bisher Undenkbares wurde nicht nur denkbar, sondern von heute auf morgen umgesetzt: „Lernen zuhause“, Unterricht in halber Klassenstärke, gekürzte Stundentafel, Notbetreuung. Nur durch dieses entschlossene Handeln der Staatsregierung konnte die (erste) Welle gebrochen werden. Die Gesundheit und das Leben von Kindern und Jugendlichen, deren Angehörigen und nicht zuletzt von uns Pädagogen wurden bestmöglich geschützt. Dafür verdient unser Dienstherr volle Anerkennung.

Natürlich hat das alles von allen Beteiligten auch viel abverlangt. Vieles läuft – für eine solche Ausnahmesituation mehr als verständlich – nicht rund. Einige Versäumnisse der bisherigen Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik leuchtet „Corona“ auch an unseren Schulen grell aus. Darüber wird zu Recht heftig diskutiert, MLLV und BLLV nehmen gegenüber den Verantwortlichen klar Stellung.

Mir geht es an dieser Stelle aber um etwas anderes: 

Haben Sie auch beobachtet, dass die Kinder in der kleinen Gruppe wesentlich harmonischer und fokussierter lernen? Dass jedes Kind wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Förderung bekommt, trotz der einschränkenden Hygienevorschriften? Dass nicht nur die Leistungsstarken, sondern gerade auch viele unserer „schwächeren“ Schüler wieder hoch motiviert in die Schule kommen und das auch bis zur letzten Stunde bleiben?

Diese Erwartungen hatten wir Praktiker ja schon lange „vor Corona“, mussten uns aber beispielsweise von den Interpreten der „Hattie-Studie“ sagen lassen, dass es vor allem auf den Lehrer und quasi nicht auf die Klassengröße ankomme. Ich neige dazu, das nun als empirisch eindeutig widerlegt anzusehen.

Natürlich kann es nicht darum gehen, die jetzige Form des Unterrichts unter dem Diktat des Seuchenschutzes als Modell der Zukunft zu preisen. Natürlich brauchen Kinder und Jugendliche zum Kompetenzerwerb so schnell wie möglich wieder das Lernen in unterschiedlichen Sozialformen und Lernumgebungen, die zum selbstgesteuerten Lernen anregen.

Aber sie brauchen ganz sicher kein überfülltes Klassenzimmer, denn fehlende Distanz zu den Nachbarn macht auf die Dauer nachweislich nervös und aggressiv. Und sie brauchen Lehrkräfte, die ihnen bei Bedarf helfen können, ohne zugleich viele andere warten lassen zu müssen.

Die entscheidende Frage ist: Wie können wir das auch „nach Corona“ erreichen? Ist dieses Ziel gerade angesichts des eklatanten Lehrermangels auf Jahre völlig illusorisch? Ich meine: Wenn wir weiterhin manches bisher Undenkbare weiter denken, werden sich Wege finden, die wesentlich weiter führen als eine Rolle rückwärts.

Martin Göb-Fuchsberger