VIELE SCHULEN WOLLEN WEITERHIN „UMWELTSCHULE“ WERDEN


Aktuelle Zahlen, neue Trends und Ideen

Obwohl die Corona-Pandemie unsere Schulen weiterhin fest im Griff hat und gerade besonders viel Energie in die Digitalisierung investiert wird, wollen auch in diesem Schuljahr wieder viele Schulen „Umweltschule“ werden. Birgit Feldmann, LBV-Landesfachbeauftragte Bildung für nachhaltige Entwicklung und bayerische Landeskoordinatorin des Programms „Umweltschule in Europa / Internationale Nachhaltigkeitsschule“ zieht im Interview eine erste Bilanz.

MLZ: Der Anmeldeschluss für das aktuelle Bewerbungsverfahren liegt gerade hinter uns. Alle Schulen, die sich bei Ihnen gemeldet haben, haben sich trotz der Herausforderungen durch Corona-Pandemie und Lehrermangel dazu entschlossen. Sind es diesmal deutlich weniger als sonst?

Feldmann: Aktuell haben wir bayernweit 730 Anmeldungen, letztes Jahr waren es 740. Von den im Jahr 2019 angemeldeten Schulen hatten dann 605 Schulen Dokumentationen zur Bewerbung eingereicht. 
Im Vergleich zu den Vorjahren haben in 2019 somit deutlich mehr Schulen die Bewerbung nicht weiter verfolgen können, weil die Corona-Pandemie dazwischen kam. Es bleibt abzuwarten, wie es heuer weitergeht. Weiterhin haben wir zahlreiche Anmeldungen von Schulen, die schon viele Jahre dabei sind.

MLZ: Wie gehen die Schulen mit den besonderen Corona-Bedingungen um?

Feldmann: Es ist erstaunlich, wie viele kreative Ideen umgesetzt werden! So erhielten Schülerinnen und Schüler im Homeschooling auf digitalem Weg Forscheraufträge oder konnten eigene Umwelttipps in Newsletter ihrer Klasse oder Schule einspeisen. 
Auch das Thema Mobilität wird jetzt deutlich stärker in den Blick genommen. Viele überlegen, wie das Auto auch bei Präsenzunterricht möglichst stehen gelassen werden kann und rechnen CO2-Einsparungen durch Onlineunterricht aus. 
Ein klassisches Thema ist wieder stark im Trend: Mülltrennung und Müllvermeidung. Leider gibt es dabei oft noch Hindernisse, z. B. durch bestehende Verträge mit Reinigungsfirmen oder Kioskbetreibern. Das Bewusstsein für Handlungsbedarf ist aber vorhanden. Eine interessante Idee, die überall sofort umgesetzt werden könnte: Anstelle von Einweghandtüchern aus dem Spender hat jeder sein eigenes kleines Handtuch am Platz und nimmt es einmal pro Woche zum Waschen mit nach Hause.
Außerdem gibt es noch eine Menge weiterer toller Ansätze, die wir nach und nach auf unserer Website veröffentlichen. 

MLZ: Letztes Jahr wurden 579 Schulen als „Umweltschulen“ ausgezeichnet, 26 Bewerbungen waren nicht erfolgreich. An welchen Kriterien sind diese Schulen häufig gescheitert? 

Feldmann: Zentrale Bedeutung hat für die Jury zum einen der Aspekt Nachhaltigkeit, also Kontinuität in der Schulentwicklung. Einzelne, kleine Projekte ohne langfristige Wirkung für die Schule reichen für eine Auszeichnung daher nicht aus.
Außerdem zeichnet es die „Umweltschulen“ aus, dass sie die Schülerinnen und Schüler konsequent beteiligen, mitgestalten und Verantwortung übernehmen lassen. Teilweise wird Partizipation in der Umweltbildung noch zu wenig mitgedacht. Ein Beispiel: Walderlebnistage mit Förstern oder Naturschützern sind natürlich schon an sich hervorragend. Aber erst wenn Schülerinnen und Schüler an der Planung solcher Aktionen beteiligt sind oder danach mit den gewonnenen Erkenntnissen an der Schule aktiv werden, erwerben sie die Gestaltungskompetenzen, die für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) essentiell sind.

MLZ: Hier sprechen Sie einen wichtigen Aspekt an, der noch nicht allgemein bekannt ist: BNE umfasst neben der klassischen Umweltbildung eben auch Partizipation und das „Globale Lernen“, bekannte Stichworte dazu wären Fairtrade oder interkulturelles Lernen. „Fehlt“ im Konzept der „Umweltschulen“ also etwas Wichtiges? 

Feldmann: Die Auszeichnung heißt im vollen Wortlaut „Umweltschule in Europa / Internationale Nachhaltigkeitsschule“. Das zeigt, dass unser Konzept schon alle Aspekte von BNE abdeckt. Allerdings hat sich die prägnante Kurzform „Umweltschule“ in den letzten 20 Jahren allgemein so etabliert, dass auch wir sie häufig verwenden.

MLZ: Herzlichen Dank für dieses interessante Interview. Ich wünsche Ihnen und den Schulen in Ihrem Netzwerk viel Erfolg!

Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im MLLV und Mitglied im Leitungsteam des Arbeitskreises BNE im BLLV.



Birgit Feldmann vom LBV koordiniert das Netzwerk der bayerischen „Umweltschulen“. (Foto: LBV Nina Meier)



„Trotz Corona“ voll im Trend: die Auszeichnung als „Umweltschule“



Martin Göb-Fuchsberger


Kommentar 

Orientierung im Siegel-Dschungel

Die vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) betreuten „Umweltschulen“ (www.lbv.de/umweltschule) sind neben den UNESCO-Schulen seit über 20 Jahren eine feste Größe unter den Schulen, die sich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verschrieben haben. In den letzten Jahren sind immer mehr BNE-Siegel von verschiedenen Akteuren dazugekommen und die Zahl wächst weiter. Manche Siegel nehmen nur spezifische Teilbereiche von BNE wie z. B. Fairtrade in den Fokus, andere sind umfassender und oft nahezu deckungsgleich.

Wenn Sie sich mit Ihrer Schulgemeinschaft überlegen, welches Siegel zu Ihrer Schule am besten passt und nicht in den „Siegel-Wald“ kommen wollen, empfehle ich Ihnen: Sofern Sie nicht ausschließlich einen speziellen Aspekt betonen wollen, ist eines der breit aufgestellten BNE-Siegel die beste Wahl.

Entscheiden Sie sich für ein Siegel, das relativ einfach erreichbare Einstiegskriterien hat, möglichst wenig Bürokratie erfordert und es der Schule erlaubt, ihr Konzept mit der Zeit und im Austausch mit anderen Schulen im jeweiligen Netzwerk auszubauen. Unter https://www.bllv.de/themen/nachhaltige-entwicklung-bne/ finden Sie im Bereich „Schulentwicklung“ Links zu Informationen über ausgewählte Siegel sowie Karten, auf denen die Mitglieder der Netzwerke eingetragen sind. Möglicherweise sind bereits Schulen in Ihrer Nähe oder mit ähnlichem Profil dabei. Mit wenigen Klicks finden Sie auch heraus, welche Materialien und Hilfestellungen die verschiedenen Anbieter zur Verfügung stellen. Wichtig zu wissen: Die UNESCO-Schulen können derzeit nur eine neue Schule aufnehmen, wenn eine Schule aus dem Netzwerk ausscheidet.

Ein BNE-Siegel ist sicher ein klares Statement der Schulgemeinschaft, das motivierend und identitätsstiftend wirken und damit Schulentwicklung im Bereich BNE unterstützen kann. Hinzu kommt oft die Möglichkeit, im Netzwerk voneinander zu lernen und zu profitieren. Am Ende ist es aber nicht entscheidend, ob Ihre Schule ein Siegel trägt oder nicht, denn: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Und: Jeder Schritt zählt!

Martin Göb-Fuchsberger