Jetzt als Team-Lehrkraft die bayeri- schen Schulen unterstützen! „Abge- schlossenes Studium“; „Interesse an pädagogischem Arbeiten?“ „Über- nehmen Sie den Präsenzunterricht einer Stammlehrkraft! Auf diese Weise tragen Sie dazu bei, dass der Präsenzunterricht für unsere Schüle- rinnen und Schüler wie geplant stattfinden kann.“
Kein Witz! So wirbt das bayerische Kultusministerium auf seiner Web- seite für den Lehrberuf an Grund- und Mittelschulen!
Sie haben richtig gelesen! Es braucht kein abgeschlossenes Lehramtsstudium mehr, um sich künftig um unser wichtigstes gesellschaftliches Gut, nämlich unsere Kinder zu kümmern. Ist es vorstellbar, dass Abschlüsse in Agraringenieurswesen, Bioin- formatik oder Sinologie genauso zum Unterrichten befähigen wie ein abgeschlossenes Lehramtsstudium?
Es gibt aber einige Bachelor und Master-Abschlüsse, die uns im Schul- alltag unterstützen könnten. Deshalb wäre eine etwas dezidiertere Personal- suche des Ministeriums angebracht gewesen!
Büroinformatiker könnten unsere notorisch überlasteten und unterbe- zahlten Verwaltungsangestellten unterstützen, ein Buchwissenschaft- ler zur Verwaltung der Schüler- und Lehrerbibliothek herangezogen wer- den. Ein Master in Wirtschaftspäda- gogik strukturiert das Mittagessen im Ganztagesbetrieb neu. Dringend suchen sollte das Kultusministerium auch eine Computer-Linguistin die uns lehrt, nicht vorhandenes WLAN „Herbeizusprechen“! Ein Bachelor- Abschluss in Meteorologie könnte Schulleiterinnen und Schulleiter vor
den drohenden und immer dichter werdenden Einschlägen von Elternbe- schwerden warnen. Einzig und allein ein abgeschlossenes Studium inTheaterwissenschaften würde dabei helfen unseren Schülerinnen und Schülern wenigstens eine ausgebildete Lehrkraft vorzuspielen!
Desweiteren heißt es auf der Seite des Ministeriums: „Bereiten Sie den Unter- richt gewöhnlich gemeinsam mit der Stammlehrkraft vor ... Sie haben also einen Coach an Ihrer Seite.“ In der realen Schulwelt bedeutet das:
Ein Master in Volkswirtschaftslehre wird von einer Grundschulpädagogin aus dem Homeoffice gecoacht, um mit „Interesse an pädagogischer Arbeit“
in einer 1. Klasse den Buchstaben B einzuführen. Noch interessanter wird dieses „Ferncoaching“ dann, wenn ein Kind zu weinen beginnt, weil es durch die Aufgabenstellung überfordert ist. Hier wäre dann wahrscheinlich ein Master in Buddhistischen und Süd- asiatischen Studien zur Beruhigung hilfreich.
Auch so kann man das Ansehen und den Stellenwert unseres Berufsstan- des gesellschaftlich ordentlich be- schädigen. Schuld an dieser Misere ist nicht die Pandemie! Sieht man nämlich unter den eilig geworfenen „ministeriellen Coronamantel“, ent- deckt man eine über Jahre verfehlte Personalpolitik! Es wäre nur anständig gewesen, den Einsatz von Team- Lehrkräften mit einem Quäntchen Wahrheit zu begründen.
Diesen ständig immer wiederkehren- den Wechsel aus Lehrermangel und Lehrerüberfluss gibt es schon eine gefühlte Ewigkeit. Wenn es wie vor ca. 6 Jahren wieder soweit ist, dass das Ministerium fertig ausgebildete Lehrer mit einer Examensnote von 1,6 nicht einstellt, dann wird Sie wahrscheinlich folgende Suchanzeige interessieren:
Sie haben ein abgeschlossenes Studium und Interesse am Betäu- ben? Jetzt als Team-Anästhesist die Münchner Krankenhäuser unterstützen! Auf diese Weise tragen Sie dazu bei, dass die Präsenzoperationen für unsere Patientinnen und Patienten wie geplant stattfinden können!
Bewerben Sie sich! Als Lehrerin oder Lehrer sind Sie dafür sicher qualifiziert genug. Fehler, die gemacht werden, wer- den von den Patienten eh nicht bemerkt!
Für den Autor kommt diese Stellenanzei- ge nicht in Frage, da er Krankenhäuser nicht mag! Seit 30 Jahren besitzt der Autor aber einen Führerschein und liest als Abonnent der SZ regelmäßig die Rubrik „Mobiles Leben“. Deshalb be- wirbt er sich demnächst bei BMW als Fahrzeugtechniker. Per Videotelefonie beim Motorenbau gecoacht zu werden, wäre schon eine neue Erfahrung. Und es gibt noch so viele weitere Möglichkeiten, auch für uns Lehrerinnen und Lehrer! Wie wäre es denn mit einer Bewerbung als Team-Kultusminister!
Martin Schmid
Netzwerk & Kommunikation