LUFTREINIGER IM PRAXIS-CHECK


WIRKSAME MASSNAHME ODER TEURE PLACEBO-POLITIK?


Mobile „Luftreiniger“ an Münchner Schulen

An immer mehr Münchner Schulen werden in diesen Wochen mobile Geräte in Betrieb genommen, die zur Infektionsprävention beitragen sollen. Vorgesehen ist laut Referat für Bildung und Sport (RBS) „eine Ausstattung aller Schulen (in den Klassen 1-6) bis zu den Weihnachtsferien“, jedoch: „Lieferverzögerungen bei den Herstellern aufgrund von Ressourcenmangel können leider nicht ausgeschlossen werden.“ Insgesamt stellte der Münchner Stadtrat für das Programm ein Budget von 21,8 Millionen Euro bereit, hinzu kommen Fördermittel des Freistaats in zweistelliger Millionenhöhe.

Da die Grundschule an der Helmholtzstraße schon kurz nach Schuljahresbeginn mit je zwei mobilen Geräten pro Klassenzimmer bzw. Tagesheim-Gruppenraum ausgestattet wurde, wird es Zeit für einen ersten Praxis-Check.

Rektorin Manuela Kirschenmann berichtet: „Nachdem diese Geräte monatelang in den Medien waren, sind unsere Eltern nun erfreut, dass unsere Schule entsprechend ausgestattet wurde. Ob die Geräte tatsächlich deutlich mehr Sicherheit bringen, wird sich in der Praxis zeigen.“

Es sei auch nicht immer leicht gewesen zu vermitteln, dass weiterhin unvermindert gelüftet werden muss: „Frischluft muss ja immer noch über die normale Fensterlüftung zugeführt werden. Das ist nicht ganz einfach, weil in den Klassenräumen kein Durchzug hergestellt werden kann“, so Kirschenmann.

Beim Lokaltermin im Klassenzimmer stellte sich zudem heraus, dass die Planer deutlich weniger Fensterflächen realisiert haben, die zu öffnen sind, als für die generell vorgeschriebene Lüftung notwendig wären. Es liegt nahe, dass die Schule aus diesem Grund vorrangig ausgestattet wurde.

Außerdem gab Kirschenmann zu bedenken, „dass die Geräte im Schulalltag nur auf Stufe 2 von 3 laufen, da die Geräuschentwicklung der Geräte sonst den Unterricht deutlich stört.“ Der Schule liegen keine Informationen darüber vor, ob damit die Luft der Raumgröße entsprechend ausreichend umgewälzt wird. Der namhafte Hersteller beantwortete eine Nachfrage des MLLV bis zum Redaktionsschluss bedauerlicherweise nicht.

Diese Erfahrung machte auch Ulrike Girardet bei ihren Fahrten im Rahmen des MSD Hören in ganz Oberbayern. „Es wird eine Vielzahl von unterschiedlichsten Fabrikaten eingesetzt, aber nirgends habe ich erlebt, dass die Geräte auf der erforderlichen höchsten Stufe laufen. Bei Vollbetrieb konnte ich bis zu 85 dB (!) am Gerät messen“, berichtet Girardet. „Daher hat z. B. eine Schule drei Geräte je Klassenzimmer in Betrieb, die jeweils auf der geringsten Stufe vor sich hin blasen. Dann liegt die Lärmbelästigung bei ca. 45 dB (direkt am Gerät gemessen) und ist damit immer noch störend.“

Keine Filter in 50% der Räume

Laut Auskunft der Pressestelle des RBS wurden für die Münchner Schulen zwei unterschiedliche Gerätefabrikate bestellt. An der Helmholtzstraße kommen wie im gesamten Münchner Süden und Westen Geräte zum Einsatz, die der Hersteller großzügig als „Luftreiniger“ bezeichnet. Wer davon ausgeht, dass diese Geräte mit HEPA-Filtern ausgestattet sind, die die Luft tatsächlich reinigen, liegt allerdings falsch: Im Gerät wird die Luft nur mittels UV-Bestrahlung desinfiziert, Feinstaub wird hingegen ständig ungefiltert durch die Atemluft geblasen und so im ganzen Raum verteilt.

Wirksamkeit aller Geräte fraglich

Zudem dämpft der Hersteller im Datenblatt allzu hohe Erwartungen: Wir „versprechen oder garantieren nicht, dass die Verwendung des UV-C-Luftdesinfektionsgeräts einen Benutzer vor Infektionen und/oder Kontaminationen mit schädlichen Viren, Bakterien, Protozoen, Pilzen, Krankheiten oder Erkrankungen schützt oder diese verhindert.“

Weitere 50% der Räume, ausschließlich im Münchner Norden und Osten, werden mit je einem Luftfiltergerät ausgestattet. Dieses verfügt über mehrere Filterstufen, darunter einen Vorfilter, der laut Hersteller ein- bis zweimal jährlich ausgetauscht werden muss und einen HEPA-Filter.

Der MLLV-Experte Dipl.-Ing. Peter Hammelbacher betont: „Bisher ist eine Verringerung des Corona-Ansteckungsrisikos auch für Filtergeräte nicht belegt.“

Beide Geräte zu laut für guten Unterricht

Je nach Volumen des Klassenzimmers empfiehlt der Hersteller des Filtergeräts einen Betrieb mindestens auf Stufe 4. Damit verursacht das Gerät bei korrektem Einsatz Betriebsgeräusche von mindestens 40dB. Das UV-Gerät ist auf Stufe 2 ähnlich laut, zwei Geräte dieses Fabrikats verursachen entsprechend mehr Lärm.

In hohen Altbauräumen ist jeweils eine höhere und lautere Stufe nötig, bei mangelhafter akustischer Dämpfung des Raumes beeinträchtigt der Nachhall zusätzlich. Hinzu kommt oft weiterer Störschall wie etwa von Beamer, Heizkörpern, Lampen oder Straßenlärm. Nach DIN 18041 (2016) sollten hingegen Fremdgeräusche von insgesamt 35 dB(A) am nächstgelegenen Hörerplatz nicht überschritten werden.

Damit erhärten sich die Bedenken, die Hammelbacher seit Beginn der Debatte im vergangenen Herbst immer wieder vorgebracht und veröffentlicht hatte (MLZ berichtete laufend). „Solche Geräte sind nicht nur teuer in der Anschaffung und verbrauchen laufend viel Strom, sondern verstoßen mit ihren Betriebsgeräuschen auch gegen geltendes Arbeitsschutzrecht. Zudem begünstigen sie ein fragwürdiges Sicherheitsgefühl bei den Nutzern vor Ort. Selbst wenn sie nur auf zu niedriger Stufe laufen und der Lärm erträglich wirkt, können sie die Sprachverständlichkeit unbemerkt erheblich beeinträchtigen. Das trifft gerade Kinder mit Benachteiligungen zusätzlich“, so Hammelbacher.

Ulrike Girardet, Leiterin der MLLV-Fachgruppe Förderschulen, betont: „Für Kinder mit Hörschädigung, Einschränkungen in der auditiven Wahrnehmung oder auch nichtdeutscher Muttersprache kommen diese Störgeräusche ja noch zu der Situation hinzu, dass die Sprecher momentan wieder eine MNB tragen müssen. Hier ist eine Sprachdiskrimination für solche Schülerinnen und Schüler kaum mehr möglich, die Teilhabe und damit die inklusive Beschulung scheitert. Wir erleben dies täglich bei unseren Besuchen an den Schulen, wie verzweifelt und frustriert Kinder, Lehrkräfte und Eltern sind.“

Der MLLV-Vorsitzende Martin Schmid fasst zusammen: „Wenn die bayerische Staatsregierung monatelang darauf drängt und Millionen dafür ausgibt, dass die Schulträger solche Geräte anschaffen, wirkt das in meinen Augen nicht gerade vertrauensbildend. Wir brauchen einen Dienstherrn, der seiner Fürsorgepflicht gerecht wird, indem er geltendes Recht und längst anerkannte Standards der Gebäudetechnik auch an den Schulen endlich konsequent durchsetzt.“

 


MLLV-Erfolg

„Ich freue mich sehr, dass der MLLV einen beträchtlichen Beitrag dazu leisten konnte, dass der Münchner Stadtrat im Juli fest verbaute Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung als Standard für künftige Schulbau- und Sanierungsprojekte festgelegt hat. Damit kommen wir einer echten Lösung für den Dauerbrenner Raumlufthygiene und effektivem Klimaschutz wirklich ein Stück näher“, so Schmid.

In der aktuellen Situation dringt der MLLV bei den Münchner Verantwortlichen darauf sicherzustellen, dass die Schulen in geeigneter Form über die Funktionsweise der vorhandenen Geräte und die wesentlichen Eckpunkte für einen fachgerechten Einsatz informiert werden.

Martin Göb-Fuchsberger



Rektorin Manuela Kirschenmann gewährt dem MLLV Einblick in die Praxis der „Luftreinigung“ vor Ort (links MLLV-Vorsitzender Martin Schmid, rechts Dipl.-Ing. Peter Hammelbacher, Foto: Martin Göb-Fuchsberger)



Ulrike Girardet (FG Förderschulen): „Teilhabe und inklusive Beschulung scheitern.“