Lang ersehnt oder eher befürchtet? Zwei Seelen schlagen oft in unserer Brust, wenn wir an unsere Pensionierung denken.
Übergänge im Leben kennen wir zur Genüge, sie gehören dazu. Als Pädagoginnen und Pädagogen wissen wir, dass z. B. die Einschulung ebenso zu den „einschneidenden Lebensereignissen“ zählt wie der Übertritt in eine neue Schulart oder der Übergang in die Berufsausbildung oder das Studium.
So haben wir alle schon etliche Erfahrungen mit Umbrüchen gemacht. Dass ein „kritisches Lebensereignis“ uns auch erwartet, wenn wir auf die Pension oder Rente zugehen, schieben wir im Trubel des Alltags oft aus dem Bewusstsein. Doch immer wieder hört man von Menschen, die sich schwer tun am Anfang ihrer Ruhestandszeit. In unseren Berufen geht es ja auch wirklich von 100 auf 0, da gibt es kein „Ausschleichen“. Umso wichtiger ist die richtige Vorbereitung auf den Ausstieg aus dem Berufsleben.
Was kann ich tun, um mich gut auf den Ausstieg vorzubereiten?
- Ich denke an Kolleginnen und Kollegen, die in meinen Augen „gelungen“ in den Ruhestand gingen. Was haben sie gemacht? Durch das Vorbild finde ich leichter heraus, wie ich meinen Ausstieg gestalten möchte.
- Ich stelle mir rechtzeitig vor meinem geistigen Auge vor, wie ich meinen Abschied vom Kollegium / Team / den Schülerinnen und Schülern gestalte. Dadurch wird meine Planung konkreter.
- Ich bespreche meine Wünsche und Vorstellungen mit vertrauten Personen aus dem Berufsumfeld. Das hilft mir, einen Blick und evtl. Anregungen „von außen“ zu bekommen.
- Ich mache mir eine Liste, was ich für den „Ausstand“ organisieren muss. Das entlastet mein Gehirn.
- Ich pflege Tagträume über die Erlebnisse, Erfahrungen, Reisen, Veranstaltungen, Begegnungen, Hobbies, …, die ich im Ruhestand genießen möchte. So kommt Vorfreude auf!
- Ich fange rechtzeitig an, in der Schule auszumisten und meine Schulmaterialien evtl. Kolleginnen und Kollegen anzubieten. Es tut meiner Seele gut, zu wissen, dass meine „Schätze“ noch weiterverwendet (und somit von anderen geschätzt!) werden.
Dann ist’s geschafft, die letzten (Pfingst-)Ferien, der letzte Schultag, der Abschied. Und nun?
Zuerst einmal Sommerferien, wie immer. Wie immer? Vielen geht es so, dass zur Erschöpfung, die ja stets am Schuljahresende vorhanden war, auch eine gewisse Unruhe kommt: Ich müsste mich doch eigentlich bald entspannt fühlen? Ich wollte doch anfangen, Bäume auszureißen …
Was kann ich tun, um auch die erste Zeit im Ruhestand gelingen zu lassen?
- Ich mache mir bewusst, dass es Monate oder noch länger dauern kann, bis ich wirklich angekommen bin in der neuen Lebensphase. Bei der Einschulung oder nach dem Übertritt dauert es in der Regel bis zu den Weihnachtsferien. Wir sind um Einiges älter, da dauert es einfach auch um Einiges länger!
- Ich lasse mein Berufsleben Revue passieren. Was hat mir besondere Freude gemacht, worauf bin ich zu Recht stolz, was (oder wer) wird mir keinesfalls abgehen? Durch meinen Beruf habe ich viele Samen in jungen Menschen gesät, viele Spuren in Menschen und ihren Biographien hinterlassen. Welche sind mir besonderes in Erinnerung? Ich schaue mir die Fotos, Karten, Briefe, Erinnerungsstücke meiner Laufbahn in Ruhe an und genieße so noch einmal die Wertschätzung, die mir dadurch entgegengebracht worden war.
- Ich lasse mir Zeit, meinen neuen Tagesrhythmus zu finden. Rituale helfen mir dabei. Sei es die Zeitung beim oder nach dem Frühstück zu lesen, der Spaziergang am Morgen oder die Tasse Kaffee am Nachmittag. Auch die Woche will mit der Zeit strukturiert werden: Wann wird geputzt, wann eingekauft, … , feste Termine mit Freundinnen und Freunden, im Chor, … . So wird aus den Wochentagen kein „Einheitsbrei“.
- Falls ich mir vorgenommen habe, ehrenamtlich tätig zu werden, kann ich die Fühler ausstrecken – aber erst damit beginnen, wenn die Motivation „zu arbeiten“ wieder ganz und gar da ist! Es tut mir vielleicht auch ganz gut, eine Weile keine Verpflichtungen zu haben. Die Zeit wird zeigen, ob ich mit Freude eine neue Aufgabe übernehme.
- Konzerte, Theater, Museen, Reisen, … all das wird ja in nicht zu ferner Zukunft auch wieder möglich sein. Ein Abo oder eine Dauerkarte bringen mich öfter und unkomplizierter in kulturelle Highlights.
- Ich pflege meine Freundschaften, meine Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen oder in Vereinen. Gute Beziehungen zu anderen Menschen zu haben ist wie eine Art seelische Sozialversicherung. So lohnt es sich auch, „neue Menschen“ kennen zu lernen bzw. ehemalige Kollegen wiederzutreffen, z. B. beim Pensionistenstammtisch des MLLV!
Wichtig bei Allem ist die Geduld und die Gelassenheit, die neue Phase auf sich wirken zu lassen und dann gestalten zu können.
Das vergangene Jahr mit der Pandemie hat uns allen viel abverlangt. Wer gerade im letzten Dienstjahr ist, kann voller Stolz vom „lebenslangen Lernen im Beruf“ sein. Wer im vergangenen Sommer in den Ruhestand ging, wird sich die Zeit des Abschieds und der Pension ganz anders vorgestellt haben – aber doch froh sein, die momentanen Herausforderungen in der Schule nicht mehr meistern zu müssen.
Freuen Sie sich auf den neuen Lebensabschnitt, der ja hoffentlich bald in einem einigermaßen „normalen Leben“ beginnen oder weitergehen wird. Und diejenigen unter Ihnen, die schon vor längerer Zeit erfolgreich in den nächsten Lebensabschnitt geglitten sind, genießen Sie auch in dieser pandemischen Zeit die Lichtblicke (siehe letzte MLZ) im Leben.
Wir, Barbara Mang und ich, freuen uns auf jeden Fall auf Sie, wenn Sie uns nach den Corona-Beschränkungen in der MLLV-Pensionistengruppe bei unseren Stammtischen, Ausflügen, Museumsbesuchen mit Ihrer Anwesenheit und Ihrem Mitmachen bereichern. Sie finden die Infos hierzu immer auf der letzten MLZ-Seite.
Bis dahin: Viel Erfolg beim Einstieg in den Ausstieg!
Herzlichst
Gabriele Seilmeier