Eröffnung durch Martin Schmid
Bayern hat sich klar zum Ganztagsanspruch an Grundschulen ab 2026 bekannt und unterstützt die Umsetzung mit einem umfangreichen Förderpaket. Dennoch sind die Herausforderungen gewaltig, denn bis 2030 fehlen rund 30.000 Fachkräfte, um die Betreuung sicherzustellen. Damit diese Reform nicht zu einer zusätzlichen Belastung für Schulen und Kommunen wird, braucht es realistische und tragfähige Lösungen.
MLLV-Vorsitzender Martin Schmid äußerte sich kritisch zu den Sprachstandserhebungen an bayerischen Kitas. Ohne eine anschließende intensive Förderung sei das Testen wenig sinnvoll. „Wir sind Weltmeister im Testen. Doch was nützen uns Zahlen, wenn daraus keine Konsequenzen folgen?“, so Schmid. Auch die derzeitige Praxis unangekündigter Unterrichtsbesuche sieht er kritisch. Lehrkräfte müssten in einem respektvollen und wertschätzenden Rahmen arbeiten können. Spontane Unterrichtsbesuche seien ein Zeichen mangelnden Vertrauens und verhinderten eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Schmid forderte eine transparente, partnerschaftliche Zusammenarbeit, in der Wertschätzung und Unterstützung im Mittelpunkt stehen.
Auch für Schulleitungen müsse sich die Bewertungspraxis ändern. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Führung und Organisation ihrer Schule, nicht in der Unterrichtserteilung. Sie sollten daher nicht über Unterrichtsbesuche beurteilt werden, da dies ihrer eigentlichen Funktion nicht gerecht werde.
Impuls von Kultusministerin Anna Stolz
Anna Stolz stellte in ihrem Beitrag zentrale bildungspolitische Themen in den Fokus. Ihr sei eine Kommunikationskultur auf Augenhöhe wichtig, was sich auch in ihrer „Zukunftswerkstatt“ widerspiegle. Hierbei hat sie in ganz Bayern mit Menschen aus verschiedenen Bereichen des Bildungswesens Gespräche geführt und über Verbesserungen diskutiert. Über 5.000 Vorschläge sind bei ihr eingegangen, die sie in ihre Agenda einfließen ließ. Dabei setzt sie unter anderem auf:
- Gesundheitsvorsorge: Ein digitaler Gesundheitswegweiser soll Lehrkräften und Schülern passende Angebote zur Verfügung stellen.
- Prüfungskultur: Die Prüfungen müssen an die veränderten Lern- und Lehrmethoden im digitalen Zeitalter angepasst werden.
- Modernisierung der Lehrpläne: Veraltete Inhalte sollen gestrichen und zeitgemäße Inhalte aufgenommen werden. Dabei soll zwischen verbindlichen Grundlagen und optionalen Inhalten klarer unterschieden werden, um mehr Flexibilität zu ermöglichen.
- Entbürokratisierung: Ein „Entlastungstracker“ auf der Homepage zeigt an, welche Vorschläge umsetzbar sind und welche nicht – und warum.
- Kommunikation: Weniger, dafür klarere und verständlichere KMS. Eine zentrale KMS-Datenbank wird eingeführt.
- Lehrerarbeitszeit: Mehrarbeit soll ab dem ersten Monat abgerechnet werden können.
- Externe Evaluation: Diese wird vorerst ausgesetzt und überarbeitet, um effizienter und nützlicher zu sein.
- Stärkung der Mittelschulen: Mehr Eigenverantwortung und Flexibilität für die Schulen vor Ort.
- Lehrerbildung: Mehr Praxisbezug und ein verstärkter Fokus auf Inklusion.
- Sicherung der Unterrichtsversorgung: Diese bleibt oberste Priorität.
Abschließend bekräftigte Stolz ihre Überzeugung, dass Schulen eigenverantwortlicher handeln sollten. Ihr Leitspruch: „Seien Sie mutig. Mit Mut beginnen die besten Geschichten.“
Im Anschluss folgte eine lebhafte Diskussion, in der zahlreiche aktuelle Problemfelder angesprochen wurden.
Ganztagsbetreuung:
Die Umsetzung des Ganztagsanspruchs ab 2026 steht, doch vielerorts stellt sich die Frage, ob Kommunen ausreichend Kapazitäten schaffen können. Gerade in Städten ist die Platznot ein großes Hindernis. Stolz betonte, dass Schulen nicht für die Ferienbetreuung zuständig seien – hier müssten Vereine, Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen mit ins Boot geholt werden.
Unangekündigte Unterrichtsbesuche:
Viele Lehrkräfte empfinden diese als reines Kontrollinstrument. Stolz verwies darauf, dass die Thematik ins Beamtenrecht falle und letztlich beim Innenministerium liege. Dennoch sei man im Gespräch, um Erleichterungen zu schaffen.
Schulleitungen und ihre Bewertung:
Schulleitungen haben eine vorrangige Aufgabe in der Organisation und Führung ihrer Schule. Ihre Bewertung sollte nicht über Unterrichtsbesuche erfolgen, sondern die tatsächlichen Leitungs- und Managementaufgaben in den Fokus nehmen.
Sprachstandserhebungen:
Trotz Kritik verteidigte Stolz die Einführung einer neuen Sprachstandserhebung. Diese sei notwendig, um auch jene Kinder zu erfassen, die keinen Kindergarten besuchen. Tests seien kein Selbstzweck, sondern dienten dazu, gezielt Förderbedarf festzustellen.
Lehrermangel und Personalengpässe:
Während Stolz auf eine steigende Zahl von Förderangeboten verwies, machten Teilnehmer deutlich, dass viele Schulen dennoch massive Engpässe haben. Substitutionskräfte übernehmen oft Förderunterricht, weil ausgebildete Lehrkräfte fehlen. Der Lehrermangel selbst mache den Beruf zunehmend unattraktiv, ein Teufelskreis, der dringend durchbrochen werden müsse.
Digitalisierung und Datenschutz:
Viele Lehrkräfte wünschen sich eine flexiblere Handhabung der Datenschutzvorgaben, um digitale Lernangebote besser nutzen zu können. Stolz erklärte, dass hier europäische Regelungen den Handlungsspielraum einschränken.
Herausforderungen im Förderschulbereich:
Besonders im Ballungsraum München sind Förderschulen stark überlastet. Personalmangel, hohe Krankenstände und zunehmende Verhaltensauffälligkeiten unter Schülern führen zu extremen Belastungen. Ähnliche Probleme zeigen sich in der Mittelschule. Hochproblematische Schüler bringen den Unterricht teilweise zum Erliegen, doch Förderschulen haben oft keine Kapazitäten mehr, sie aufzunehmen. Die Jugendhilfe ist ebenfalls überlastet. Hier sei dringend ein systemischer Ansatz notwendig.
Martin Schmid betonte am Ende der Veranstaltung, dass der MLLV weiterhin den Finger in die Wunde legen und eine Plattform für den Austausch zwischen Politik und Praxis bieten werde. „Wir brauchen nicht nur eine politische Realität, sondern vor allem realistische Politik.“
Die Veranstaltung endete mit dem Appell der Kultusministerin: „Bleiben Sie mutig und optimistisch!“
Andre Grenzebach, Pressereferent