Es haben uns zahlreiche Rückmeldungen zur verpflichtenden Sprachstandserhebung erreicht – und sie zeichnen ein klares Bild: Von einem reibungslosen Start kann in München keine Rede sein.
Während das Kultusministerium behauptet, die Erhebungen seien „gut angelaufen“, berichten unsere Kolleginnen und Kollegen in den Schulen von einem ganz anderen Alltag: Chaos bei der Organisation, überforderte Kinder, und eine Bürokratie, die ins Absurde abdriftet.
Unsere Kritik am Verfahren:
• Eltern erscheinen mit dem falschen Kind – oder ohne Kind. An einer Münchner Schule kamen von 30 geladenen Kindern nur 18. Andere brachten versehentlich das falsche Geschwisterkind mit. Fehler, die neue Termine und noch mehr Aufwand verursachen.
• Vierjährige in 30-minütige Tests zu zwingen, ist absurd. In einer ersten Klasse der Grundschule beträgt eine konzentrierte Arbeitsphase etwa 10 Minuten. Jetzt sollen Kinder, die kaum 4,5 Jahre alt sind, über eine halbe Stunde durchhalten – viele verweigern aus Schüchternheit oder Überforderung die Mitarbeit. So wird die erste Begegnung mit Schule, die eigentlich motivierend sein sollte, zu einem frustrierenden Erlebnis, das das Gegenteil bewirkt.
• Die Tests setzen Kinder unter Stress, statt sie zu motivieren. Sie erleben eine Testsituation, die nicht in ihrer gewohnten Umgebung stattfindet und mit der sie sich nicht identifizieren können. Statt spielerischer Sprachförderung begegnen sie Druck und Erwartungshaltungen.
• Hoher bürokratischer Aufwand ohne Mehrwert. Jedes nicht erschienene Kind muss erneut eingeladen werden. Das bedeutet mehr Arbeit für die Schulleitungen und viel mehr Arbeit für die Verwaltungsangestellten – und das alles für ein Verfahren, das keine nachhaltige Förderung sicherstellt.
• Falsche Prioritäten. Während die Schulung der Testpersonen minutiös durchgeplant ist, fehlen nach wie vor qualifizierte Kräfte für die eigentliche Sprachförderung der Kinder. Offenbar ist die Testung wichtiger als die Unterstützung derjenigen, die langfristig Sprachdefizite ausgleichen sollen.
Unsere Forderungen für eine bessere Lösung:
1. Ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr
o Frühzeitige Förderung in einer vertrauten Umgebung
o Kein Druck durch starre Testverfahren kurz vor der Einschulung
2. Erprobte Testverfahren in den Kitas belassen
o Überarbeitung und bessere Anwendung der bewährten Verfahren (SISMIK, SELDAK)
o Sprachbeobachtung durch vertraute Erzieherinnen und Erzieher statt durch externe Testpersonen
3. Flexible und kindgerechte Erhebungen
o Sprachstandserhebung über einen längeren Zeitraum hinweg
o Keine starren 30-Minuten-Prüfungen für Kleinkinder
4. Bürokratieabbau und Fokus auf echte Förderung
o Schriftstücke an Eltern sind oft zu lang und insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund, die häufig von den Sprachtests betroffen sind, schwer verständlich.
o Mehr investierte Ressourcen in Sprachförderprogramme statt in Verwaltung
Eine fundierte Evaluation ist unerlässlich. Um voranzukommen, muss eine ordentliche Evaluation der Sprachstandserhebung erfolgen. Dies ist nur mit umfassenden Rückmeldungen der Schulen möglich. Zudem hätten Schulleitungen und Lehrkräfte bereits in die Vorbereitung dieses Verfahrens einbezogen werden müssen, um praxisnahe Lösungen zu entwickeln, statt ein bürokratisches Konstrukt über die Schulen hinweg zu stülpen.
Wir haben diese Kritik bereits an das Kultusministerium übermittelt. Jetzt brauchen wir Ihre Unterstützung liebe Kolleginnen und Kollegen! Diskutieren Sie in Ihren Kollegien, teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit. Wir können dann gegenüber den vorgesetzten Dienstbehörden noch deutlicher machen, dass dieses Verfahren in der aktuellen Form nicht tragbar ist. Gemeinsam setzen wir uns für sinnvolle Sprachförderung ein – ohne Bürokratiemonster und unnötigen Stress für Sie und unsere Kleinsten.
Es grüßt Sie alle herzlich
Martin Schmid
1. Vorsitzender