Mythos Spanien

Geschrieben am 03.04.2024
von Dorothea Wilhelm

Dem hierzulande weitestgehend unbekannten Maler Ignacio Zuloaga (1870-1945) war in der Kunsthalle kürzlich eine umfangreiche, prächtige Werkschau gewidmet, die die Pensionisten des MLLV am 24.1. unter der kompetenten Führung von Frau Dr. Sagner besuchten.



Um 1900 bis zum 1. Weltkrieg genoss der Künstler auch hierzulande Berühmtheit und Bewunderung, nicht zuletzt von Rainer Maria Rilke.

Kaum ein Künstler hat die Vorstellung von Spanien so geprägt wie Zuloaga. Nach dem Verlust seiner Weltmachtstellung in Form von bedeutenden Kolonien an die USA war das Land gebrochen, sank es doch endgültig weltpolitisch auf drittrangiges Niveau.


Der Maler will das eigentliche Spanien abbilden, die Menschen, die Traditionen und greift dabei auf das Erbe von El Greco, Velasquez und Goya zurück.



Doch hat er sich als junger Mann auch den Wind um die Nase wehen lassen und lebte zeitweilig in Paris. Hier ist er schnell glänzend vernetzt und stellt zusammen mit van Gogh, Toulouse-Lautrec, Vuillard und etlichen anderen aus. In Paris schließt er sich aber an die katalanische Malergruppe um Rusinal, Casas und Utrillo an.

Auf der Suche im Heimatland nach neuer Identität herrscht Verunsicherung. Tradition oder Moderne? Zuloaga war bemüht, die spanische Seele zu bewahren und den Mythos Spanien zu prägen. Die Darstellung des Alten Spanien mit seinen Traditionen und Bräuchen empfanden viele als Spiegel von Rückständigkeit und Armut. Doch er malt die Menschen, wie sie sind, will sie in allen Facetten darstellen, hell und dunkel. Charakterköpfe wie Weinbauern bei der Lese, Lumpen an den Füßen, also arm, aber das fruchtbare Land! Armut als Realität.



Die Darstellung des Onkels, eines Keramikers mit seinen beiden Töchtern in prächtigen Kleidern, diese schwarz, die Gesichter weiß geschminkt. Immer wieder Reminiszenzen an Greco, Velasquez und Goya in Form seiner Bilder.

Schon in Paris hat er auch Kurtisanen gemalt, in Rot, ein Freier ist zwischen Dreien nicht entschieden, die Zuhälterin steht dabei. Dasselbe Motiv jetzt auch in Spanien, leicht zu erkennen die Kupplerin Celestiane und die junge Kurtisane Frau Calisto.



Der Stierkampf ist ein zentrales Thema für ihn. Er kämpft eine Zeitlang selber, wird aber verletzt. Auf eindrucksvolle Weise bildet er die ganze Brutalität des Stierkampfes ab, als Teil des alltäglichen Lebens. Auch die Zigeuner, er sieht sich selbst als einen, sind geächtet, aber sie können aufsteigen, wenn sie Erfolg als Stierkämpfer haben, prächtig gekleidet, den Blick in die Zukunft gerichtet.



Ohne Auftrag malt er das Bild von“ Carmen“, der Opernheldin, die frei bleibt, trotz der Liebe von Don Jose, was sie das Leben kostet. Darstellungen von Flamenco und Stierkampf bedeuten, sich der eigenen Angst zu stellen. Er malt, was er muss und schreckt auch vor wirtschaftlichem Misserfolg nicht zurück. Reichtum in Kastilien, Inquisition und große Leere, pompöse, prächtig inszenierte Kardinäle… Ab 1913 dann auch viele Auftragsporträts und später wirtschaftlichen Erfolg.

Beeindruckt und bereichert begaben sich die Pensionisten ins Restaurant der Kunsthalle zum Mittagessen.