Während andere Länder politische Bildung als Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie begreifen, hält Bayern an einem mutlosen, lückenhaften Konzept fest. Politische Bildung fristet hier ein Schattendasein – als wäre sie ein unbequemer Gast, den man zwar eingeladen hat, aber möglichst unauffällig in der hintersten Ecke platziert. Die Folgen sind gravierend: Wer in der Schule nicht lernt, Demokratie zu verstehen, wird sie später nicht verteidigen.
Natürlich gibt es wohlklingende Absichtserklärungen – Konzepte mit blumigen Formulierungen, in denen von „mündigen Bürgern“ und „demokratischer Verantwortung“ die Rede ist. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Bayern rangiert im bundesweiten Vergleich auf den hintersten Plätzen, wenn es um die Vermittlung politischer Bildung geht. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung bestätigt, dass politische Bildung hier oft nur marginal behandelt wird – vor allem in der Sekundarstufe I, wo sie mitunter nicht einmal eine Wochenstunde umfasst.
Das bayerische Problem hat System:
Strukturelle Vernachlässigung: Politische Bildung gilt als „fächerübergreifendes Prinzip“ – ein Konzept, das in der Praxis oft bedeutet, dass sie dem Zufall überlassen wird. Ohne klare Stundenkontingente, Notengebung und verbindliche Lehrpläne bleibt sie eine Randerscheinung.
Falsche Prioritäten: Während andere Bundesländer längst eigenständige Fächer für politische Bildung etabliert haben, hält Bayern an der Minimalvariante fest.
Ungleicher Zugang: Gymnasiasten erhalten in der Regel mehr politische Bildung als Schüler an Real- oder Mittelschulen. Damit wird Demokratiebildung zur sozialen Frage.
Andere Länder zeigen, wie es geht:
Besonders problematisch ist, dass politische Bildung in Bayern viel zu spät ansetzt. Wer glaubt, Demokratieerziehung könne erst in der Mittelstufe beginnen, irrt gewaltig. Länder wie Frankreich und Spanien haben längst verstanden, dass Demokratie kein Schulfach für Fortgeschrittene ist.
In Frankreich ist die éducation civique seit Jahren fester Bestandteil des Lehrplans – und zwar ab der Grundschule. Dort lernen Kinder früh, wie Demokratie funktioniert, wie man diskutiert, argumentiert und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Auch in Spanien gehört politische Bildung selbstverständlich zum Curriculum. Während bayerische Schüler also oft erst in der neunten Klasse mit Grundbegriffen der Demokratie konfrontiert werden, haben ihre Altersgenossen in anderen Ländern längst gelernt, was Mitbestimmung bedeutet.
Bayern hingegen behandelt politische Bildung wie ein Alibi-Projekt – als reiche es, wenn man ab und zu ein paar Begriffe in den Unterricht einstreut. Da s ist, als würde man den Schwimmunterricht auf ein paar Trockenübungen am Beckenrand beschränken und sich dann wundern, warum niemand schwimmen kann.
Die Verantwortung liegt klar bei der Politik:
Politische Bildung muss Chefsache werden. Es braucht verbindliche Mindeststandards auf Landesebene – keine weiteren Absichtserklärungen.
Investitionen sind überfällig. Strukturelle Defizite verschwinden nicht durch wohlklingende Papiere, sondern nur durch konkrete Maßnahmen und finanzielle Mittel.
Demokratie darf kein Privileg sein. Politische Bildung muss für alle Schulformen gleichwertig zugänglich sein – unabhängig vom Bildungsweg.
Bayern hat die Wahl: Entweder bleibt es das bildungspolitische Fossil unter den Bundesländern oder es erkennt endlich, dass Demokratie von Bildung lebt. Politische Bildung ist keine Kür – sie ist eine Pflicht.
Es grüßt Sie herzlich
Martin Schmid
1.Vorsitzender