Roecklplatz

Geschrieben am 15.09.2024
von Angela Bauer


Rezepte für die Zukunft: das Roecklplatz


Fünfzehn Jahre, 38  erfolgreich abgeschlossene Ausbildungen als Koch, Köchin oder Restaurantfachkraft, fünf Ausbildungsrunden, ein Bundesverdienstkreuz und ein etablierter Platz in der Gastronomie Münchens  – das Roecklplatz macht auch nach über einem Jahrzehnt noch maximal von sich reden. Was im Jahr 2008 in München revolutionär und neu war, ist heute ein Vorzeigeprojekt, das sich weit über die Grenzen des Dreimühlenviertel ja sogar Münchens einen Namen gemacht hat und andere Betriebe motiviert.



Gut, besser, das Roecklplatz


Gemeinsam mit Szene-Gastronomin Sandra Forster gibt Angela Bauer mit dem Jugendhilfeträger hpkj e.V. im Roecklplatz sozial benachteiligten Jugendlichen eine Perspektive. Hier wird aufgefangen, professionell ausgebildet, familiär gelebt und ein Einstieg ins Berufsleben ermöglichst. Ein perfekt eingespieltes Team aus Küchenchefs, Servicekräften und Sozialpädagogen kümmert sich um die professionelle Ausbildung und Betreuung der Jugendlichen und entlässt die jungen Menschen anschließend in Jobs in renommierte Betriebe wie Dallmayr, Charlie, Goldenes Kalb, Marais Soir oder das Blitz Restaurant – einer konnte jetzt auch das Tantris von sich überzeugen. Denn ganz nebenbei hat sich das innovative Konzept mit seiner experimentellen Küche auch noch zum kulinarischen Highlight der Münchner Gastroszene entwickelt. 


Experimentielle Küche mit kulinarischen Highlights


Gekocht wird hier nicht nach Stereotypen – aus den Töpfen und Pfannen kommen ebenso kreative wie überraschendende Gerichte. Rote Bete-Terrine, Feldsalat, Koriandergrissini, Wasabischaum oder Steckrübensuppe mit Trockenpflaumen und gebrannten Mandeln wir im Roecklplatz genauso serviert wie Rinderfilet vom Lavagrill mit geschmorten Pastinaken und Maronenrösti. Immer mit dabei: vegetarische und vegane Highlights. 



​Ein Gespräch


Das Roecklplatz ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen suchst. Können Sie uns kurz die Eckpfeiler skizzieren?

Jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen, die eine wirkliche berufliche und damit gesellschaftliche Perspektive eröffnet, das war das Ziel. Aus langer Erfahrung im Bereich der Jugendhilfe weiß ich, wie fähig die jungen Menschen sind, die z.B. in Wohngruppen betreut werden oder in Familien leben, die es nicht leicht haben im Leben. Die jungen Menschen haben aber Durchhaltevermögen und Biss – sie brauchen nur manchmal etwas mehr Aufmerksamkeit und Begleitung. Eine individuelle Betreuung während der Ausbildung ist deshalb das A und O des Konzepts. Sowohl die AusbilderInnen wie auch die Sozialpädagogischen Fachkräfte bauen Vertrauen auf und suchen gemeinsam Lösungen wenn das ein und andere Problemfeld auftaucht. Unterstützung bei der Berufsschule brauchen die meisten - dafür wird extra Zeit eingeräumt. Und das Roecklplatz bietet jedem und jeder vom ersten Tag an einen Platz im Team – alle sind wichtig und für das Gelingen eines Abends relevant. 

Was war der Auslöser für die Idee ein Restaurant wie das Roecklplatz zu eröffnen?

Vielen jungen Menschen fällt es schwer, eine gute und zufriedenstellende berufliche Perspektive zu entwickeln. Mit schlechten gesellschaftlichen Startbedingungen, ohne ein für viele übliches familiäres Netzwerk, mit schlechtem oder ganz ohne Schulabschluss. Im Lebenslauf sind das keine Pluspunkte. Wir nehmen genau diese jungen Menschen und unterstützen sie bei der Lösung ihrer Probleme. Das können Lernschwierigkeiten, Schulden, wenig soziale Kontakte, Selbstunsicherheit oder auch problematischer Umgang mit den eigenen Aggressionen sein. Egal was – solange jemand den Willen hat die Ausbildung zu machen und dafür etwas tut ist er/sie bei uns richtig. Als ich erfuhr, dass die Wohnungsbaugesellschaft Wogeno einen Pächter für die Gaststätte in ihrem neu erworbenen Haus sucht, bin ich sofort aktiv geworden. Sandra und ich sind seit Jahrzehnten befreundet und so traf die Idee, ein Ausbildungsrestaurant zu machen auf fruchtbaren Boden. In einer sehr langen Nacht haben wir die Eckpfeiler die uns wichtig sind festgesetzt und konnten loslegen mit der Umsetzung, sprich erstmal dem Umbau und dem Finanzierungsplan

Viele Ihrer Auszubildenden haben keinen Schulabschluss, schwierige Biografien und waren Ausbildungsabbrecher. Bei Ihnen ziehen sie es durch. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Junge Menschen, die im sozialen Umgang und mit dem Funktionieren in starren Systemen wie der Schule ihre Probleme haben fallen durchs Raster. Oft gehen sie dann einfach nicht mehr hin oder werden vom Unterricht ausgeschlossen. Manchmal klappt der Mittelschulabschluss, aber mit dem hat man kaum Aussicht auf eine spannende berufliche Perspektive. Außerdem bleiben die Probleme erstmal bestehen und damit sind viele, auch gut gewillte, Ausbildungsbetriebe überfordert. Wenn ein Azubi zu oft krank macht, nicht in die Berufsschule geht, aggressiv auf Kritik reagiert… das geht nicht und führt zum Abbruch. Wir haben da einen längeren Atem und eine ganz andere Ausstattung an pädagogischem Personal und AusbilderInnen. Die Sozialpädagogische Fachkraft begleitet die jungen Menschen bei Ihren Problemstellungen – innerhalb und außerhalb des Roecklplatz. Das Ausbilderteam, jeweils zwei AusbilderInnen in jedem Bereich, ist in die pädagogischen Abläufe einbezogen und bestimmt mit über die Vorgehensweisen in Krisenfällen. Und – einer der wichtigsten pädagogischen Eckpunkte: jeder Azubi ist vom ersten Tag an voll am Posten bzw. am Gast. Die Möglichkeit, aber auch die Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, das führt zu Identifikation und dem Gefühl, wichtig zu sein. Ein entscheidendes Gefühl für die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit.

Haben denn alle, die bei Ihnen angefangen haben ihren Abschluss gemacht oder gibt es auch im Roecklplatz Abbrecher?

Auch bei uns brechen junge Menschen die Ausbildung ab oder stellen fest, dass es die falsche Berufswahl war. Wir begleiten in diesem Prozess möglichst so lange, bis eine Alternative gefunden ist oder eine weitere Beratung und Begleitung gefunden ist. Meistens gelingt es, dass ein Abbruch nicht zu einem perspektivlosen Loch wird.

Wie kommen die jungen Menschen ins Roecklplatz? Melden die sich bei Ihnen oder werden sie Ihnen empfohlen?

Die Voraussetzung ist erstmal nur, dass man eine Ausbildung machen will und schulisch keine besonders guten Ergebnisse vorweisen kann. Wir können erst mit 17,5 Jahren einstellen, weil das Arbeitszeitgesetz mit Nachtarbeit von Minderjährigen sehr streng ist. Als gefördertes Projekt der Stadt München sind wir an deren Aufnahmeregelungen gebunden. Das heißt, dass jede/r Bewerber/in sich vor oder nach einer Kontaktaufnahme mit uns an das IBZ Jugend wenden muss, ein Integrations- und Beratungszentrum. Dort findet ein erstes Clearing statt um rauszufinden, was es für den jungen Mensch für berufliche Möglichkeiten gibt . Bei Schwierigkeiten oder Abbrüchen bleiben die MitarbeiterInnen am Ball, dass möglichst kein junger Mensch verlorengeht. Eine gute Einrichtung für Münchner Jugendliche. Wir begleiten diesen Prozess mit den jungen Menschen, die sich direkt an uns wenden und können dann auch was abkürzen, damit keine Demotivation entsteht

Was macht das Roecklplatz so besonders für Sie?

Die Kombination von Gastro und Pädagogik. Die beiden Bereiche sind auf Augenhöhe. Wir sind keine Gastro mit ein wenig pädagogischem Anspruch und kein pädagogisches Projekt mit Gastro-Touch. Das ist nicht immer einfach, denn manchmal widersprechen sich die Ziele der Bereiche. Die Gastro braucht ja auch funktionierende MitarbeiterInnen und die Pädagogik hält bei einem Azubi an der Ausbildung fest, obwohl er oder sie vielleicht gerade  wenig verlässlich ist. Gottseidank haben wir ein tolles Team, Supervision und ein 14tägiges Meeting..

Wann geht Ihr Herz auf?

Wenn ein/e Auszubildende/r seine Stärken entdeckt. Da kann eine schüchterene junge Frau plötzlich mit den Gästen sprechen und ist bei ihnen total beliebt. Eine junge Frau, die in der Schule nur Mobbing-Erfahrungen gemacht hat. Sie entdeckt ihre Stärken und merkt, dass sie richtig gut sein kann. Das sind tolle Momente

Die größte Erfolgsgeschichte?

Eine junge Frau, die seit sie 13 Jahre alt war in Wohngruppen der Jugendhilfe betreut wurde. Migrationshintergrund, massive familiäre Probleme, Gewalt, wenig Schulbesuch. Gleichzeitig ein unfassbarer Sturkopf mit sehr eigenen Vorstellungen von Regeln und Auseinandersetzungen. Beziehungen wurden immer gleich gekappt, sobald es zu einer (unvermeidlichen) Auseinandersetzung kam.  Im Rahmen unseres Lernprojekts konnte sie mit viel Unterstützung und individueller Betreuung den Hauptschulabschluss machen. 

Dann begann sie im Roecklplatz. Zunächst konnte sie mit der Hierarchie, die es auch bei uns natürlich gibt, nicht gut umgehen. Aber immer mehr spürte sie, wie wichtig sie im Team ist, dass es ohne die Azubis nicht geht. Ein wichtiges pädagogisches Moment unserer Konzeption. Im Service bekam sie viel positive Rückmeldung der Gäste und lernte, auch mit unfreundlichen Gästen zurecht zu kommen. Die Auseinandersetzungen mit den Ausbilderinnen hörten nie ganz auf – aber sie wurden konstruktiver und überwindbar. Am Ende schloss sie die Ausbildung mit gutem Ergebnis ab und fand sofort eine Anstellung. Heute arbeitet sie selbst pädagogisch mit Kindern und Jugendlichen im Bereich der schulischen Förderung.



Erfahren Sie mehr über das Roecklplatz-Projekt unter https://wwww.roecklplatz.de .