Was brauchen wir, um unseren Schülern wirklich gerecht zu werden?
Mit der aktuellen Kampagne „Zeit für Bildung“ möchte der BLLV eine breite Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, was Schule heute leisten soll und was sie dafür braucht. Elf Schüler mit ihren ganz unterschiedlichen Geschichten und Bedürfnissen machen deutlich, welchen Spagat wir jeden Tag leisten müssen.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann beschreibt die Situation so: „Ja, wir versuchen in der Schule die Kinder und Jugendlichen individuell zu fördern, den Erwartungen der Eltern gerecht zu werden… Wir Lehrerinnen und Lehrer rudern, um einigermaßen über die Runden zu kommen.“
Bedarfsgerechte statt „bedarfsorientierte“ Rahmenbedingungen - jetzt!
MLLV und BLLV weisen schon lange darauf hin, dass Inklusion und Integration enorme Herausforderungen für Schule und Gesellschaft darstellen und entsprechende Ressourcen erforderlich sind, die uns in die Lage versetzen sie zu bewältigen. Solange dies nicht der Fall ist, können wir weder unseren Schülern noch unserem beruflichen Selbstverständnis wirklich gerecht werden.
In einer Situation struktureller Überforderung von uns Lehrkräften, aber auch unseren Schülern und deren Eltern verwundert es kaum, dass MdL Martin Güll (SPD) vielerorts „Angst vor der Vielfalt statt Mut zur Vielfalt“ wahrnimmt. Gerade in einer Zeit, in der die Angst vor der Vielfalt europaweit zunimmt, brauchen wir eine Schule, in der Vielfalt gelingt und die als Bereicherung für alle erlebbar ist.
Stadt und Freistaat sind gefordert, ihre bisherigen Bemühungen mutig zu verstärken und für bedarfsgerechte Rahmenbedingungen zu sorgen. Konkret bedeutet dies unter anderem:
- Zeit für individuelle Förderung
Mittel- und langfristig brauchen wir eine nachhaltige Versorgung mit Lehrerstunden und Mobilen Reserven, damit die geplanten Förder- und Differenzierungsmaßnahmen unabhängig von Krankenstand oder Fortbildungen verlässlich stattfinden können. Unsere Schüler haben ein Recht darauf! In Zeiten chronischen Lehrermangels ist die Möglichkeit, Drittkräfte für die individuelle Förderung von Schülern auf Basis von Honorarverträgen zu engagieren, häufig ein Segen. Allerdings muss der bürokratische Aufwand, der damit verbunden ist, dringend reduziert werden. Auch ehrenamtliches Engagement kann viel Gutes bewirken, darf aber nicht als tragende Säule zur Umsetzung schulischer Kernaufgaben missbraucht werden. Ehrenamtliche und Drittkräfte verdienen Wertschätzung, persönliche und fachliche Begleitung und Aufmerksamkeit von schulischer Seite. Eine externe Fachstelle ist nötig, um die formellen Regelungen rund um den Einsatz effizient abzuwickeln und nötige Standards zu sichern. - Zeit für Inklusion
Sonderpädagogische und schulpsychologische Expertise muss an der inklusiven Schule jederzeit verfügbar sein. Die nötigen Stellen bzw. Deputate sowie ein Vertretungspool müssen geschaffen werden, Zeit für Besprechungen und Beratung im multiprofessionellen Team muss allen Beteiligten angerechnet werden! - Zeit für Qualität im Ganztag
Es ist gut, dass die Zeit der Flickschusterei im Ganztag ihrem Ende entgegen gehen soll. Das neue Münchner Modell „Kooperative Ganztagsbildung“ muss viele Probleme lösen. Der Erfolg des Modells wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, gut qualifiziertes pädagogisches Personal dauerhaft und im nötigen Umfang an alle Schulen zu binden. Neben umfangreichen Budgetsteigerungen ist eine nachhaltige Personalentwicklung überfällig! Außerdem brauchen Ganztagsschüler genug Platz, um sich auch einmal zurückzuziehen oder auszutoben – ganz unabhängig davon, ob sie eine Ganztagsklasse, eine Mittagsbetreuung oder ein Tagesheim besuchen. Daher ist es gut, dass die Münchner Mittagsbetreuungen nun in Neubauten zusätzliche Räume bekommen. Dass zugleich neue Tagesheime auf den bisherigen Standard verzichten müssen, ist nicht hinnehmbar. Was sich in der „Schulstadt München“ jahrzehntelang bewährt hat, muss vielmehr zum Standard für alle Betreuungsformen werden! Vor allem brauchen auch die Mittagsbetreuungen an den Bestandsschulen eine entsprechende Raumausstattung. - Zeit für Schulsozialarbeit und JaS
In multiprofessionellen Teams ist sozialpädagogische Fachkompetenz unabdingbar. An jeder öffentlichen Schule in München. Im Alltag präsent, persönlich vertraut. Gut vernetzt und präventiv engagiert, nicht nur als „Feuerwehr“ im Kurzeinsatz. „Verbundmodelle“ oder mobile sozialpädagogische Dienste sind keine professionelle Lösung!
Hier können Sie die Broschüre des BLLV zur Kampagne herunterladen: www.bllv.de/fileadmin/BLLV/Download/Themen/Zeit_fuer_Bildung/BLLV_Kampagne_Zeit_fuer_Bildung_Broschuere.pdf
Martin Göb-Fuchsberger
Zeit für Bildung mit dem MLLV: Machen Sie mit!
So vielfältig die Aspekte der Kampagne „Zeit für Bildung“ sind, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten sich zu beteiligen – und unter Umständen zugleich selbst mehr Zeit für Bildung zu haben:
- Zeit für individuelle Förderung und zum Durchatmen gewinnen. Die Zeiten, in denen wir darauf angewiesen waren, Materialien für die individuelle Förderung selbst zu erstellen, sind vorbei. Mittlerweile ist ein großes Angebot auf dem Markt oder sogar kostenlos im Netz, häufig bereits mehrfach differenziert. Fertiges Material spart enorm viel Zeit und Energie, die direkt unseren Schülern oder auch einmal unserer „Lehrergesundheit“ zugute kommen kann. Vorausgesetzt, es ist wirklich gut. Ganz besonders gilt das für Lernprogramme und Apps.
- NEU: MLLV-Infobörse
Online empfehlen wir uns gegenseitig bewährte Fördermaterialien, Programme und Links... einfach von Kollegen für Kollegen, ohne Aufwand oder Termine. Nähere Informationen rund um die MLLV-Infobörse folgen in der kommenden Ausgabe. - NEU: AK Digitales Lernen
Wir tauschen uns mit Fachleuten über die enormen Möglichkeiten digitaler Medien im Unterricht aus, bilden uns gegenseitig fort und gehen neue Wege. - Wieder am Start: AK Inklusion
Kollegin Vera Reindl hat die Leitung des AK Inklusion übernommen. Alle Interessierten sind herzlich willkommen! - Achtung, Schulsozialarbeit!
Der MLLV verfolgt die Entwicklung des Münchner „Verbundmodells“ für Schulsozialarbeit sowie die Überlegungen bezüglich mobiler sozialpädagogischer Dienste kritisch-konstruktiv. Teilen Sie mir Ihre Erfahrungen dazu mit!
Wenn Sie sich für eines der Projekte interessieren, genügt eine völlig unverbindliche E-Mail an schulpolitik(at)mllv.bllv.de Ich freue mich auf Sie!
Martin Göb-Fuchsberger