Am Mittwoch, 08.01. folgten 35 Schulleiterinnen und Schulleiter der Einladung der Fachgruppe Schulleitung zum Fachvortrag „Kindeswohlgefährdung“ mit Frau Ulrike Sachenbacher, Richterin und Leiterin der Abteilung 5a für Familienverfahren am Amtsgericht München sowie Kompetenzpartnerin Kinderschutz des OLG-Bezirks München.
Die Zuhörer:innen lauschten gebannt dem Vortrag. Tief betroffen machte die Schilderung vom eklatanten Fachkräftemangel im Stadtjugendamt und bei Jugendhilfemaßnahmen, welcher die dringend gebotene Fremdunterbringung gefährdeter Kinder und Jugendlicher häufig scheitern lässt. Die psychisch äußerst herausfordernde Betreuung durch geschultes, leider angesichts der Belastung ihrer Tätigkeit oft unzureichend bezahltes Fachpersonal kann keineswegs ausreichend geleistet werden. Vielmehr sprach Frau Sachenbacher von einer „Drehtürpsychiatrie“: Oft würden minderjährige Betroffene nach einem Selbstmordversuch bei Wegfall der akuten Gefährdung mangels geeigneter Anschlussmaßnahmen bereits nach kurzer Zeit wieder nach Hause entlassen – in die Not, aus der sie kommen. – und die Spirale beginnt erneut.
Ein dringender Appell erging an uns alle, die wir mit Kindern und Jugendlichen arbeiten: Anzeichen für eine Gefährdung, seien es äußerliche Merkmale, Verhaltensänderungen oder etwa die längere Abwesenheit von Kindern und Jugendlichen aus dem Unterricht, müssten aufmerksam wahrgenommen werden. Dazu seien eine stete Selbstreflexion sowie unbedingte Vorurteilsfreiheit notwendig.
Interdisziplinäre Netzwerkarbeit zwischen allen Fachbereichen sei darüber hinaus zwingend notwendig.
Frau Sachenbacher lobte in diesem Zusammenhang die effiziente Zusammenarbeit mit den Fachkräften der Schulsozialarbeit und gab abschließend wichtige Hinweise für den Umgang mit Verdachtsfällen: Die Einhaltung einer Schweigepflicht sei nicht mehr geboten, sobald ein Gefährdungsverdacht besteht. Feststellungen hierzu seien zwingend in der Schulakte zu dokumentieren. Es entstehe auch kein Nachteil, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die als akut eingeschätzte Gefährdungslage beim Familiengericht anders eingestuft werden sollte.
Eine Erörterung der Gefährdung mit den Erziehungsberechtigten sei dann sorgfältig abzuwägen, wenn befürchtet werden muss, dass Kinder daraufhin, möglicherweise gewaltsam, zum Schweigen gebracht werden. Grundsätzlich sollte eine Meldung zunächst ans Jugendamt erfolgen. Sollte dies nach einer gewissen Zeit und nach Rückfrage jedoch nicht zur Einleitung einer Überprüfung mit Maßnahmen führen und sei nach eigenem Ermessen besondere Eile und Dringlichkeit wegen weiter bestehender Kindeswohlgefährdung geboten, so bestehe darüber hinaus auch für Schulen die Möglichkeit, dem zuständigen Familiengericht den Fall als Anregung nach § 24 FamFG direkt zu melden.
Zusätzlich könnten Lehrkräfte – auch auf Aufforderung des Familiengerichts – Stellungnahmen abgeben. In Gefährdungsfall bestehe auch dann keine Schweigepflicht, in anderen Kindschaftsverfahren müsse über das Gericht oder auch direkt eine Schweigepflichtsentbindung der Sorgeberechtigten eingeholt werden.
Frau Sachenbacher stellte den Kolleg:innen umfassende Unterlagen mit der genauen Erläuterung des juristischen Hintergrunds zur Verfügung.
Bei der anschließenden Begegnung der Teilnehmer:innen mit gemeinsamem Essen und Getränken waren sich alle einig: Der Umgang mit der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen ist ein bedrückendes, aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung zunehmendes sowie sehr wichtiges Thema, welches im Ernstfall unverzügliches, kompetentes und zielgerichtetes Handeln in interdisziplinärer Zusammenarbeit erfordert.