Im Januar besuchten die Pensionisten des MLLV die Ausstellung in der Münchner Kunsthalle, die JR gewidmet war. Nur die Initialen hat er mit dem gleichnamigen Ekel aus der Serie „Dallas“, sonst so gar nichts!
Er hält sich bewusst anonym, niemand kennt seinen Namen und er verbirgt sich prinzipiell hinter Sonnenbrille und trägt große Hüte.
Nicht Fotograf, nicht Streetartkünstler, lediglich „Artist“ ist die Bezeichnung, die er sich selber gibt.
Autodidakt, vom eher kümmerlichen Sprayer bis zum großartigen Fotografen, stammend aus den Pariser Banlieues, hat er die Kunst revolutioniert. Im Mittelpunkt seiner zahllosen „Chronicles“ steht der einzelne Mensch, wie er sich selber darstellt und wie er gesehen werden will. Er gibt allen, die sonst auf keiner Bühne zu sehen sind und dies aber gerne wollen, ein Gesicht, mit Vorliebe den Zukurzgekommenen. Immer in schwarz-weiß. Sein Verzicht auf jedwede Sponsorengelder sowie Werbeaufträge, mit zwei wohlbegründeten Ausnahmen, erinnert an Christo und Jeanne-Claude. Nur so bleibt seine Unabhängigkeit gewahrt.
Unaufhaltsam bahnt sich seine (Foto)kunst ihren Weg, bis auf höchste Ebenen der Anerkennung. Präsident François Hollande besucht das riesige Mural, das im Palais de Tokyo präsentiert wurde und erklärt: “Dies ist Teil der französischen Geschichte,…unserer Geschichte, unseres Erbes…“
Immer mehr erweitert JR seinen Radius an die acht Meter hohe Mauer im Westjordanland, z. B. fährt er und fotografiert Israelis und Palästinenser gemeinsam. Da kommt es zu friedlichen Diskussionen und Begegnungen, die allesamt vom Friedenswillen beider Lager zeugen, dem aber das Handeln der Politiker im Wege steht.
Dasselbe an der Grenze zwischen Mexiko und Amerika, viel zwischenmenschliche Verständigung, der nach einiger Zeit sogar die amerikanischen Patrouillen mit Duldung zusehen und ihren Widerstand gegen die augenscheinlich friedlichen Absichten JRs aufgeben. Sie lassen sich sogar teilweise fotografieren.
Frauen in ihren oft schwierigen Lebenssphären stehen in des „Artists“ Focus, er sieht sie als Leistungsträgerinnen in jedweder Kultur. „Women Are Heroes“ (2008-2010). Sie haben weniger Rechte als Männer und leisten doch alles. „Zu ändern, wie wir die Dinge sehen, bedeutet bereits, die Dinge zu ändern“ ist ein Satz, der JRs Künstlertum gut beschreibt, völlig unprätentiös und stets zurückgenommen.
Seine grandiosen Chronicles, unerhört und so noch nie dagewesen, machten die Ausstellung zu etwas bisher Einmaligem. Wenig selbstbewusst ist er nicht, schreibt er doch sehr bald, noch zu Zeiten seines Beginns mit den pastings: “Ich besitze die größte Galerie der Welt, nämlich die Mauern der Stadt.“
Auch nicht unwichtig: Das Cafe , Restaurant Kunsthalle ist professionell geführt und bietet sehr gute Qualität. Hier klang unser Besuch aus.
Dorothea Wilhelm