Viel Programm, wenig Lehrkräfte – Bayerns Schulen starten auf Verschleiß.
Die vorgesetzten Dienstbehörden verteilen neue Programme wie Fitnessarmbänder – nur laufen müssen wieder die Lehrkräfte.
Mehr Bewegung, mehr Medienkompetenz, mehr Chancengleichheit, mehr politische Bildung – und weniger Bürokratie. Klingt wie das neue Fitnessprogramm für Schulen. Dazu der „digitalkompass.schule“, 20 Minuten Bildschirmzeit, 30 Minuten Bewegung und wöchentliche Verfassungsviertelstunden. Schön verpackt, glänzend etikettiert – aber wer füllt diese Pakete aus, wenn 46.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler in Bayern auf nur 93 Prozent voll ausgebildete Lehrkräfte treffen?
Papier ist bekanntlich geduldig – Klassenzimmer nicht. Jede neue Idee landet direkt auf den Schreibtischen der Kolleginnen und Kollegen, die längst jonglieren zwischen Unterricht, Eltern, Krisen und Statistiken. Und während sich die vorgesetzten Dienstbehörden als Fitness-Coach der Nation inszenieren, rudern sie in der politischen Nebelbank – ohne Kompass, ohne Kurs. Neue Stellen? Schön und gut – aber Stellen sind keine Menschen. Wenn der Markt leergefegt ist, bleibt das große Schaffen von Planstellen vor allem eins: Täuschen und Tarnen. Ein Schaufenster voller Preisschilder – nur die Ware fehlt.
Auch bei der Sprachförderung wird lieber gezählt als geholfen. Die flächendeckenden Sprachstandserhebungen sind im Prinzip richtig – Kinder mit Förderbedarf werden erfasst. Doch danach klafft die Lücke. Zu wenig Vorkurse, und wenn einer zustande kommt, steht oft kein Sprachförderprofi davor, sondern ein Substitut oder Quereinsteiger. Das ist, als würde man ein Haus abmessen und dann ohne Bauholz das Fundament freigeben.
Währenddessen wächst der Papierberg weiter. Jedes neue Programm – vom Digitalkompass bis zur Bewegungs-Halbestunde – vermehrt Anträge, Nachweise und Statistiken. Bürokratie ist längst die wahre Schulleitung, die vorgibt, wann und wie gearbeitet wird. Entlastung? Fehlanzeige.
Unsere Schulen brauchen keine weiteren Schlagworte, sondern Verlässlichkeit: genügend echte Lehrkräfte, Zeit für Förderung und Anerkennung, die über warme Worte hinausgeht. Bis dahin halten Münchens Lehrerinnen und Lehrer das System am Laufen – wie immer. Wir sind der eigentliche Kompass. Und auf uns ist Verlass.
Mit kollegialen Grüßen
Martin Schmid
1. Vorsitzender


